Vom 25. bis 28. September 2025 fand im Landguet Riet bei Bern die Zen-Tagung unserer Linie statt, die von zahlreichen Interessierten besucht wurde. Geleitet von Peter Widmer, Ursula Popp und Jürgen Lembke bot die Zusammenkunft ein reiches Programm an Vorträgen und Workshops und wurde umrahmt von der Musik der Flötistin Silvia Berchtod. Gert Scobel, Nicole Baden, Christian Dillo, Angela Geissler, Manfred Rosen, Almut-Barbara Renger, und Thomas Metzinger erläuterten ihre Thesen zu "Zen und die Zukunft".
Erste Impressionen findest du auf der Tagungs-Webseite. In Kürze folgt ein ausführlicher Bericht sowie der Link zu den Vortrags-Videos, die erworben werden können.
Im Zendo Inneres Lind in Winterthur fanden am 21. September Interessierte zusammen, die an der ganztägigen Zen-Einführung teilnahmen. In einem dichten Tagesprogramm wurden sie vertraut gemacht mit den Grundlagen des Zen-Buddhismus, dem Rahmen und den Angeboten der Zen-Linie, der Psychodynamik des Zen-Wegs und den Ritualen, Sutren und Abläufen, wie sie auch in unseren längeren Kursen gepflegt wurden. Die neu ans Zen herangeführten Menschen werden anschliessend in verschiedenen Zendo der Linie am Zazen unter der Woche teilnehmen, und sie haben auch die Voraussetzung, an Sesshin und Zazenkai mit dabei zu sein. Schön zu sehen war, dass alle Generationen sich begeistern lassen von Zen: junge Menschen in Ausbildung, die mittlere Generation, welche in Beruf und Familie gefordert ist, und die Generation am Übergang zur zweiten Lebenshälfte.
Das zweite Jahr des Zen-Forum hat mit dem FORUM ERDE bereits begonnen. Mit dem Zitat von Dogen: "Übt ihr im Innern den WEG, so wird sich die Tugend des WEGES ganz von selbst auch nach aussen hin zeigen" fragte Jürg Heldstab in seinem Impuls-Vortrag: "Ist das so, wie Dogen es ausdrückt? Wie äussern sich unsere meditativen Zen-Erfahrungen in alltäglichen Beziehungen und Handlungen?" Die Sangha tauschte sich im Anschluss in kleinen Workshop-Gruppen aus und notierte Stichworte, die anschliessend ins Plenum getragen wurden. Es zeigten sich viele Transformationen im eigenen Selbstverständnis, im Kontakt mit anderen Menschen sowie bei der Arbeit, ohne dass eine festgelegte Tugend-Ethik von den Zen-Meditierenden Besitz ergriffen hätte.
Die Kurse des ZEN FORUM 2026 (1. Jahreshälfte) sind nun bereits ausgeschrieben, ihr könnt euch anmelden. Neue Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind herzlich willkommen!
Link zur Information und Anmeldung
Unübersehbar breit ist das Angebot an Online-Kursen und You-Tube-Videos auch im Zen. Einige Meditierende erzählen im Dokusan (Einzelgespräch), wo sie überall teilgenommen, was sie alles gehört und mitbekommen haben. Der eher raue chinesische Zen-Meister Obaku hat seine Mönche als "Tresterfresser" bezeichnet, die niemals ihr "Jetzt" erleben, wenn sie das Land nach Zen-Lehrenden durchforsten würden. Es gibt Zen, aber keine Zen-Lehrer, erklärte er dem nachfragenden Schüler. Zen lebt von der eigenen Erfahrung, auch das Dokusan entfaltet seine Kraft durch die absolute Präsenz – da geschieht im besten Fall keine Begegnung, sondern die Erfahrung des unmittelbaren "Nicht-Zwei". Obakus Koan können wir als Einladung nehmen, an analogen Kursen teilzunehmen, "wirklich" da zu sein, auch wenn die online-Formate eine Ergänzung und für Fernwohnende sinnvoll sein mögen.
Im Zendo Inneres Lind gestalten wir den Beginn des Dokusan neu:
Wenn du dich dem Dokusan-Raum näherst, wirst du mit die Glocke der Sensei eingeladen, du anwortest mit zwei Schlägen des kleinen Hämmerchens auf die Tempelglocke (Hansho) und trittst ein. Wir begrüssen uns mit Gassho an der Tür bzw. im Sitzen. Dieses schöne Ritual übernehmen wir aus den Sesshin, wo der Hansho im Warteraum steht. Es unterstützt die wache Präsenz, welche in der Begegnung im Dokusan ein zentrales Element ist.
Am 2. September fand im Zendo ein Assistenz-Treffen statt. Kathrin führte aus, dass die Meditierenden, welche beim Montag-Zazen, den Zazenkai und Sesshin assistieren, viel zum Zen-Geist, zur Atmosphäre im Zendo und zum Zusammenhalt der Sangha beitragen. Ohne ihre Präsenz wären die Kurse und das Dokusan nicht möglich.
Beim Assistenz-Treffen tauschten wir uns aus, übten die Rituale und lernten zwei neue Instrumente kennen: die Wolkenplatte (Unpan), welche die Mahlzeiten bei den Zazenkai und Sesshin ankündigt, und die Tempelglocke (Hansho), welche das Dokusan begleitet.
Der zweite Newsletter der Zen-Linie ist erschienen, wobei Kathrin Stotz diesmal die Redaktion innehatte. Mit Beiträgen von Mitgliedern der Sangha Zendo Inneres Lind.
Der ZENPULS wird achtmal pro Jahr versandt, wobei jede/jeder Sensei einmal die Verantwortung übernimmt.
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Dhyana
Beitrag im ZenPuls 08/2025 von Kathrin Stotz
Dhyana (Chan, Zen) bezeichnet einen Zustand der Versenkung. Beim Zazen sind wir in die momentane Wirklichkeit versunken. Wo waren wir vorher, wo sind wir normalerweise? Wir stecken in Geschichten fest, in einer virtuellen Realität. Erzählungen scheinen uns Halt zu geben, sie definieren uns und die Welt – und grenzen uns gleichzeitig ab. Versenkung ist ein Nicht-Tun. Die Grenzenlosigkeit ist bereits da: immer schon sind wir versunken in der Wirklichkeit, vollkommen eins mit ihr. Wir glauben nur, darüber zu schweben.
Seit einigen Jahren werden mystische Erfahrungen wissenschaftlich erforscht. Die Ergebnisse sollen den Wert und das Glückspotenzial der Meditation belegen und den Erfolg der Zugangswege vergleichen. Kann es sein, dass sich die Messinstrumente und der sprachliche Zugriff dabei in sich selber spiegeln? Bei den Untersuchungen werden Hirnaktivitäten sowie neue Verknüpfungen im Gehirn aufgezeichnet oder sprachliche Wiedergaben von Erfahrungen analysiert und ausgewertet. Auch Sprache ist aber lediglich eine Übersetzung von etwas Vergangenem. In der Selbstvergessenheit der unmittelbaren Gegenwart gibt es keine Erfahrung. Letztere ist bereits ein Narrativ und damit ein Nachvollzug in einem anderen Medium. Zusammen mit der Sprache entsteht eine Ich-Struktur: «Ich» habe «etwas» erfahren (also bin ich). Die innige Subjektivität empfindender Lebewesen ist ein Mysterium, auf das es keinen Zugriff gibt, weder mit Sprache noch mit Hirnscans. «Das Wesen dieses einen Soseins ist ein Geheimnis», sagt Seng-t’san. Dhyana, die Versenkung hier und jetzt, hat kein Aussen. Jede Aussenperspektive ist eine Spaltung, es gibt dann eine Messende und das Gemessene, Subjekt und Objekt, und nicht selten damit verbunden das Ziel der Ich-Veredelung.
Einheit allerdings – das übersehen Meditierende oft – ist immer. Auch in unangenehmen Zuständen, ausserhalb der Praxis, auch bei Vermessungen. Dhyana vollzieht sich in Leere, und diese ist nach dem Herzsutra «aller Dinge Kennzeichen». Damit öffnet sich die Sicht auf den grenzfreien Austausch im Zen, zwischen Generationen, Kulturen, uns und der Welt.
Grenzenlose Heimat
Beitrag im ZenPuls 08/2025 von Mulan Sun Buschor
In einem Zen-buddhistischen Tempelviertel in China bin ich bei meinen Grosseltern aufgewachsen. Jeden Morgen weckte mich der Gong des Dabei-Yuan-Tempels. Über unserem Teetisch hing eine Kalligrafie: Chan und Tee in einer Einheit. Ein einfaches Wort, doch seine Tiefe begann ich erst vier Jahrzehnte später wirklich zu begreifen. 2005 führte mich mein Weg in die Schweiz, zum Architekturstudium an der ETH Zürich. Ich stellte mir oft die Frage: Wozu baue ich? Wie kann materielle Architektur immaterielle, spirituelle Räume erschaffen? Durch die Gestaltung und Realisierung von Teeräumen fand ich erste Antworten. 2014 begann ich bei Soyu Mukai Sensei den japanischen Teeweg (Chado) zu lernen, und 2024 erhielt ich den Teemeistertitel der Urasenke-Schule sowie meinen Tee-Namen Sōbō. Heute unterrichte ich neben meinem Beruf als Architektin und Architekturdozentin auch die Teezeremonie. Doch meine Reise in der Einheit von Chan und Tee geht weiter. 2024 fand ich endlich den Ort, den ich lange gesucht hatte – nur 200 Meter von meinem Zuhause in Winterthur entfernt: bei Kathrin Stotz Sensei im Zendo Inneres Lind. Ich sitze wieder wie im Haus meiner Grosseltern, doch fühle mich wie neugeboren, rieche das Räucherstäbchen, höre den Gong, bete vor dem Buddha.
“Man fragt sich, ob es im Süden nicht schön sein kann, aber ich sage: Wo das Herz Frieden findet, da ist meine Heimat.” Chinesischer Dichter Su Shi (1037-1101)
Hongzhi Zhengjue – Das Kultivieren des Leeren Feldes
Praxisanleitungen zur Schweigenden Erleuchtung
Edition Steinrich, Berlin 2025
Zen-Meister Hongzhi Zhengjue (jap. Wanshi Shogaku) ist einer der grossen Vorläufer Meister Dogens in der Linie des Soto-Zen und der Herausgeber der Koan-Sammlung Shoyoroku. In seinen Praxisanleitungen hat er die grundlegenden Prinzipien des absichtslosen stillen Sitzens in Zazen klar und inspirierend dargelegt. Seine poetischen Texte wachsen jeder und jedem Weg-Gehenden ans Herz.
Programm
Texte der Lyrik-Lesung
Die mit Kathrin Stotz befreundeten Sensei Friederike Juen Boissevain und Harald Nanzan Schöcklmann von der Wind & Wolken Sangha in Norddeutschland haben uns auch dieses Jahr mit ihrem Besuch im Zendo Inneres Lind beschenkt. Gemeinsam sind wir in Zazen gesessen und kamen anschliessend ins Gespräch. Friederike und Harald erzählten von ihrem spirituellen Werdegang und fragten die Sangha nach ihrer Definition von Spiritualität, ihrer Verortung und ihrem Ursprung im eigenen Leben. Wie passiert es, dass die ursprüngliche Einheit des neugeborenen Kindes durch unsere Denktätigkeit mit der Zeit vergessen geht? Wie können wir zum ersehnten Nichtzwei zurückkehren, Form und Leere als identisch erleben? Erzählungen von zentralen Lebensthemen, Traumata, Sehnsüchten und der durch das Zen gewonnenen Freiheit liessen uns alle die tiefe Verbundenheit im Dharma spüren.
In der von Dogen geprägten Praxis des Soto-Zen in der Nachfolge von Shunryu Suzuki nimmt die Verkörperung der Zen-Haltung im Zazen einen zentralen Platz ein. Harald und Friederike wiesen auf die immer neue Übung des offenen Gewahrseins hin, welche das Gefängnis des Ich öffnet, in dem wir oft nicht ungern verweilen. Auch wenn wir unter der Trennung vom Ganzen leiden, fürchten wir uns auch gleichzeitig vor dem Sprung in die Grenzenlosigkeit.
"Aufbruch ins Ungewisse. Die gesellschaftliche Relevanz von Meditation"
Mitten in Berlin sind am 16. und 17. Mai 2025 350 Teilnehmende zusammengekommen, um 18 Vorträge zu hören, gemeinsam still zu sein und den wunderbaren Tönen der Shakuhachi Flöte zu lauschen. Sich inmitten des Lärms, Verkehrs, der Shoppingstrassen und Touristengruppen zu treffen und nicht auf der grünen Wiese, hatte eine eigene Kraft. Tief berührt hat mich der Beitrag von Prof. Kazuma Matoba zum von ihm entwickelten Global social witnessing (GSW). Er ist seit über vierzig Jahren ein Zen-Meditierender und lebt seit langem in Deutschland. In seinem Beitrag zeigte er uns, wie durch die achtsame Hinwendung zu globalen Ereignissen sich diese im Körper erlebbar widerspiegeln. Die Fähigkeit, körperlich zu resonieren, erlebte ich ganz direkt. Nach einer Einleitung zur Verinnerlichung führte er uns im Betrachten von Porträts, z.B. eines jungen russischen Soldaten in Gefangenschaft, mit einfachen Fragen in diesen inneren Resonanzraum.
Der Beitrag von Friederike Juen Boissevain, Zen-Lehrerin und Ärztin, trug den Titel «Wir fallen, immer - still werden angesichts unserer Endlichkeit». Sie führte aus: «Ich werde selbst zur Frage und drücke sie aus – um sie dann zu vergessen.» Diese dringliche, grosse, uralte und unendliche Frage. Wir haben Angst vor dem Fallen, dem Undefinierten, dem Getrenntsein. Wir nehmen uns ständig zwischen zwei Polen wahr und meinen, dass wir uns für einen entscheiden müssen. Doch: «Wir fallen immer schon im grossen Horizont – ohne Referenzpunkt». Wir fallen in die Stille. Diese ist kreativ, reich, vibrierend, gibt Inspiration und Frieden. Wir bewohnen unsere Furcht – und ich helfe dir, zu fallen. Wir können in die alleinige Gegenwart hineinatmen – und erfahren Erleichterung.